|Warum| ihr Chilling Adventures of Sabrina dringend sehen müsst

|Warum| ihr Chilling Adventures of Sabrina dringend sehen müsst

… und zwar nicht nur an Halloween!

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© Netflix

Ich bin mit Sabrina – Total verhext! aufgewachsen und war ein großer Fan. Mit dieser Serie hat die Netflix-Serie Chilling Adventures of Sabrina aber nicht mehr zu tun als die Namen der Charaktere. Wer also eine Neuauflage der beliebten Sitcom erwartet, der wird enttäuscht werden. Ich fand hier auch die Vorschau von Netflix eher irreführend, da sie mehr Humor in der Serie erwarten lässt, als sich dann tatsächlich findet. Das liegt aber schlicht daran, dass die Serie nicht auf der Comicreihe Sabrina The Teenage Witch basiert, sondern auf der Reihe Chilling Adventures of Sabrina, die wesentlich düsterer angelegt ist.

Wenn man über diese Tatsache hinweggekommen ist, gibt es noch die ersten holprigen Folgen zu überstehen. Leider gelingt es den Machern nicht, den Hintergrund unauffällig einzubauen. So kommt es zu dem einen oder anderen gestelzten Dialog, in dem sich die Figuren gegenseitig ihre Handlungen erklären, als würden sie es selbst vergessen haben.

Warum also diese Serie ansehen? Darum:

  • Weil Chilling Adventures of Sabrina wirklich gruselig ist.

 

Am besten sieht man sich die Serie im Dunkeln bei Kerzenschein an. Auf Sonnenschein wartet man in dieser Serie nämlich vergebens, wortwörtlich. Man muss schon verschmerzen können, dass man hier eine Menge Blut, Innereien und Brutalität zu sehen bekommt. Die Figuren bewegen sich von einer düsteren Kulisse zur nächsten, sei es der Wald, die Minen der Stadt, die düstere Highschool oder das Bestattungsinstitut, in dem die Spellmans leben. Sabrina ist eigentlich immer damit beschäftigt, das Düstere von ihren menschlichen Freunden und ihrer Familie abzuwenden, mit dem sie selbst als Halbhexe mehr Probleme hat als der Rest, der es einfach als gegeben hinnimmt. Es gibt Exorzismen, Morde, Spinnen und Kannibalismus.

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  • Weil die Kulissen einfach super gemacht sind.

Sabrina lebt in einem Bestattungsinstitut mit ihren beiden Tanten Hilda und Zelda (Nebenbei: Ich empfehle, die Serie im Original anzusehen, denn Hildas britischer Akzent ist einfach das Tüpfelchen auf dem I für diese eher schrullige Figur.), ihrem Cousin Ambrose und später ihrem Begleiter Salem. Das Institut ist ein düsteres, altes Haus mit schweren Holzmöbeln und interessanter Wanddekoration. So gelingt es auch, eine Verfolgungsjagd durch das Haus mit seinen Winkeln und Schatten wirklich gruselig wirken zu lassen. Auch die Schule als Ort, an dem Sabrina stets um die Sicherheit ihrer Freundinnen kämpfen muss, ist ein Labyrinth aus finsteren Gängen und engen Lehrerbüros.

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  • Weil Sabrina eine Kämpferin für den Feminismus ist.

Oft hat man den Eindruck, dass die Serie in den 60ern spielt und bekommt auch nur selten Hinweise darauf, dass die Geschehnisse tatsächlich in deutlich moderneren Zeiten stattfinden. Ein Zeichen dafür, dass Sabrinas Kampf um Emanzipation immer noch ein aktueller ist und wir in vielen Punkten nicht weit gekommen sind.

Zum einen ist hier das Leben an Sabrinas Highschool. Als ihre Freundin Susie belästigt und sogar körperlich angegangen wird, ist es sie, der empfohlen wird, die Schule zu verlassen, oder als sie sich wehrt, suspendiert wird. Die Jungen, vor allem aber die Footballspieler, können tun und lassen, was sie wollen, der Direktor greift nicht ein. Sabrina, die Angst um ihre Freundinnen bekommt, gründet den Club W.I.C.C.A, in dem sich Mädchen zusammentun können, um sich gegenseitig zu unterstützen. Auch tut sie sich mit ihren eigentlichen Erzfeindinnen zusammen, um gegen die Footballspieler mit Magie vorzugehen. Auch hier wird die Verbundenheit der Mädchen deutlich, wenn es darum geht, sich gegen die Übergriffigkeit der Männer zu wehren.

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Zum anderen wendet sie sich aber auch gegen den Inbegriff des Patriarchats, Satan. Als Halbhexe zweifelt sie von Beginn an daran, ob sie ihren Namen in das Buch schreiben soll, das sie an den Dunklen Lord binden soll. Sabrina möchte beides – die Macht einer Hexe, aber auch die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden, was mit ihr geschieht. Immer wieder aufs Neue hinterfragt sie die eingefahrenen Strukturen, das Recht Blackwoods, im Namen des Lords zu sprechen, und beschließt, Satan irgendwann zu stürzen.

“I have reservations about saving myself for the Dark Lord. Why does he get to decide what I do or don’t do with my body?”

Auch Harvey als Figur trägt dazu bei – als Nachkomme der Familie, die die Hexen in Greendale verfolgt und ausgerottet haben (was er selbst nicht weiß), fühlt er sich fehl am Platz in seiner Familie. Er hat keine weibliche Bezugsperson und leidet darunter, dass von ihm erwartet wird, sich „männlich“ zu verhalten. Zerrissen zwischen dieser von ihm erwarteten Rolle und seinem Wunsch, sich von dieser Einstellung abzugrenzen, kann auch er sich nur an Sabrina und ihre Freundinnen halten.

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  • Weil auf Diversität Wert gelegt wird.

Zugegeben, die Hauptfiguren sind weißer als weiß. Doch wir haben Ambrose, den schwarzen, pansexuellen Cousin Sabrinas. Sabrinas nichtbinäre Freudin Susie (Pluspunkt: gespielt vom nichtbinären Schauspieler Lachlan Watson, dessen Geschichte man sich dringend zu Gemüte führen sollte). Wir haben Rose, die Weird Sisters, Nick, Mary Wardell, Lady Blackwood, und und und.

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Habt ihr Chilling Adventures of Sabrina schon gesehen?

|Warum| ich in letzter Zeit nur Bücher von Rick Riordan gelesen habe

|Warum| ich in letzter Zeit nur Bücher von Rick Riordan gelesen habe

Ich bin, was Rick Riordan angeht, ja ein echter Spätzünder. Für eine ganze Weile hielt ich Percy Jackson für einen Abklatsch von Harry Potter. Tatsächlich weckte erst der Film mein Interesse an der Götterwelt, die Rick Riordan in seinen Büchern aufgriff. Ich weiß, dass viele die Filme völlig daneben finden. Ich kann beide bis ins letzte Detail mitsprechen und schaue sie regelmäßig, wenn ich alleine einschlafen muss. Wie ich die Buchreihen im einzelnen fand, erzähle ich euch in ein paar separaten Posts. Ich habe jetzt eine nach der anderen weggelesen, dabei gelacht und sogar geweint – und bin sogar ein bisschen froh, dass ich diesen Schatz so spät entdeckt habe.

Rick_Riordan_transparentRick Riordan war selbst 15 Jahre lang Lehrer für Englisch und Geschichte und wurde sogar von einer seiner Schulen für sein Lehrtätigkeit ausgezeichnet. Zuerst schrieb er für Erwachsene neben seiner regulären Arbeit. Doch dann kam ihm die Idee für Percy Jackson, den er sich für seinen ältesten Sohn ausgedacht hatte. Nachdem er ihm alle griechischen Mythen erzählt hatte und sein Sohn noch mehr hören wollte, kam ihm ein Schulprojekt in den Sinn, bei dem sich seine Schüler ihre eigenen Halbgötter ausdenken durften. Innerhalb von drei Tagen entstand in seinem Kopf am Bettrand seines Kindes der erste Band der Reihe.

Percy Jackson hat ADHS und Dyslexie. Als Lehrer hat Rick Riordan genau wie ich auch beobachten können, wie sehr Kinder mit diesen Diagnosen gekämpft haben. Sie zweifeln an sich, fühlen sich manchmal dumm und unfähig, merken, dass sie manchen Lehrern auf die Nerven fallen mit ihrer fehlenden Konzentration und inneren Unruhe. Mir ist es als Lehrerin immer wichtig, diese Kinder zu bestärken und ihnen das Gefühl zu geben, dass es Wege gibt, wie wir zusammen die Situation bestreiten können. Gerade ADS und ADHS sind so voll von Vorurteilen und Stigmata. Dass Percys ADHS und Dyslexie sich letztendlich als Stärken herausstellen, finde ich deswegen einen guten Schachzug. Kindern das Gefühl zu geben, dass ihre Schwächen auch Stärken sein können, ist enorm wichtig.

Making Percy ADHD/dyslexic was my way of honoring the potential of all the kids I’ve known who have those conditions. It’s not a bad thing to be different. Sometimes it’s the mark of being very, very talented. That’s what Percy discovers about himself […]. (Quelle)

Darüber hinaus bemüht sich Rick Riordan auch um Diversität. Nicht nur gibt es im Laufe der Serie immer mehr Charaktere verschiedener ethnischer Herkünfte, auch sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten werden hier aufgegriffen. Die Charaktere der Serien sind sich in vielem zwar ähnlich, jedoch nicht wahllos austauschbar, wie es in anderen Buchuniversen der Fall ist. Dabei ist Rick Riordan auch kritikfähig und kümmert sich darum, sich einerseits für falsche Repräsentation zu entschuldigen und darüber hinaus sie in neuen Auflagen seiner Bücher auch zu entfernen. Vielmehr thematisierte er auch immer wieder das Whitewashing seines Charakters Carter Kane in ausländischen Ausgaben der Kane Chroniken und war damit sogar erfolgreich.

Thematiken wie Depression, Obdachlosigkeit, häusliche Gewalt, Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe oder physischer wie psychischer Krankheiten – sie alle finden Platz in Riordans Büchern.

Repräsentation ist unheimlich wichtig für Kinder und Jugendliche und findet noch viel zu wenig Beachtung in der Kinder- und Jugendbuchwelt (Zu sagen, sie findet zu wenig statt, finde ich nicht richtig formuliert. Es gibt genug Own Voices-Autoren, die beachtenswerte Bücher schreiben, die aber erst in letzter Zeit auf den Schirm der Verlage zu gelangen scheinen). Gut, dass ein Autor mit einer so großen Leserschaft wie Rick Riordan sich um korrekte Repräsentation bemüht, ohne sie egoistisch auszuschlachten.

[Bildquelle: http://de.percyjackson.wikia.com%5D

|Empfehlung| Mackenzi Lee „Cavaliersreise“

|Empfehlung| Mackenzi Lee „Cavaliersreise“

cavaliersreise

Cavaliersreise, die: Bezeichnung für eine seit der Renaissance obligatorische Reise der Söhne des europäischen Adels, später auch des gehobenen Bürgertums, durch Mitteleuropa, Italien, Spanien und auch ins Heilige Land.

Wir befinden uns in den 1720ern – einem denkbar ungünstigen Zeitalter für Henry Montague, genannt Monty. Denn nicht nur hat er keine Lust, das Erbe seines gewalttätigen Vaters anzutreten, sondern ist er auch noch unsterblich in seinen besten Freund Percy verliebt, der seinerseits keinen Platz in der Gesellschaft findet, da er dunkelhäutig ist und unter einer Krankheit leidet, von der man sich erzählt, sie wäre eine göttliche Strafe. Auch Henrys Schwester Felicity fühlt sich wenig aufgehoben in ihrer Welt – das überaus kluge Mädchen soll anstatt Medizin zu studieren an einer Mädchenschule Sticken und Ettiquette lernen. So treten die drei ihre Cavaliersreise als letztes Aufatmen vor einem scheinbar unabänderlichen Schicksal an.

Zu Beginn war es schwer, in die Geschichte einzutauchen, denn die Autorin bemüht sich darum, dass ihre Figuren sich passend zum 18 Jahrhundert ausdrücken – Scharmützel, Nachtgewänder und vermaledeite Dinge, wohin man liest. Es dauert etwas, bis man sich an diesen Schreibstil gewöhnt.

Ich weiß, dass ich damit Gefahr liefe, zu weit zu gehen. Doch für derlei Subtilitäten dünkt mich das Leben zu kurz. Den Vorwitzigen lacht das Glück.

Hat man das erst einmal geschafft und sich durch ein paar Seiten eher langatmiger Reisebeschreibungen gekämpft, landet man in Versailles und die Geschehnisse beginnen, Fahrt aufzunehmen. Was aber vor allem Fahrt aufnimmt, ist das Mitgefühl und die Sympathie für alle drei Protagonisten. Vor allem Henry, der kein durchweg liebenswerter Charakter ist, wächst einem doch ans Herz. Denn zwischen all dem Trotz, Egoismus und der Sucht nach Überfluss, mit denen er sich selbst immer wieder im Weg steht, blitzt ein verletzter Junge durch, der sich nie gegen die Schläge seines Vaters wehren konnte und der sich sicher ist, nie im Leben glücklich zu werden, weil er nie zu seiner Bisexualität stehen kann. Percys Gefühl, nirgends wirklich dazuzugehören, ist heute aktueller denn je – in einer multikulturellen und -ethnischen Gesellschaft, in der Ängste neu geschürt werden oder nie überwunden wurden. Auch  Felicitys Kampf um Selbstbestimmung und darum, als mehr gesehen zu werden als das kleine Frauchen, das nur hübsch an der Seite ihres Mannes aussieht, schließt an aktuelle Diskussionen an. „Cavaliersreise“ macht deutlich, dass wir heute vielleicht doch nicht so weit sind, wie wir das gerne wären.

Wie seltsam, sterben zu wollen. Und wie seltsam, wenn man zudem noch glaubt, man habe so einen simplen Ausweg nicht verdient.

Die Wendung, die das Buch nimmt, hatte ich persönlich nicht so erwartet. Aus der Cavaliers- wird eine Abenteuerreise, in der die drei Hauptfiguren überfallen werden, im Gefängnis landen oder in den Händen von Piraten und am Ende wird es sogar noch mystisch. Und zwischendrin immer auch ein wenig romantisch, ohne dass diese Liebesgeschichte zwischen Monty und Percy zu viel Raum in der Geschichte einnimmt.

Es ist erstaunlich, wie viel Mut es braucht, selbst wenn man so gut wie sicher ist, dass auch der andere es will. Immer stutzen einem Zweifel die Flügel.

Zum besseren Verständnis gibt es am Ende des Buches noch einen Anhang, der die Themen Cavaliersreise, Politik, Epilepsie und queere Kultur zu Zeiten des Buches erklärt.

Letztendlich erklärt Henry selbst am besten am Ende, was den Leser erwartet:

Ich verkörpere jetzt zweifelsfrei das Schreckbild einer Cavaliersreise, das Schauermärchen, das man seinen Kindern auf den Weg gibt, bevor man sie in die Welt entlässt. […] Käme ich nach Hause, Ihr hättet wohl Mühe, mich wiederzuerkennen. […] Von nun an nehme ich mir vor, es gut zu haben. Leicht wird mein Leben nicht sein, aber gut.

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496 Seiten * ISBN: 978-3-551-56038-4 * 19,99 € * OT: The Gentleman’s Guide to Vice and Virtue

Gab es je ein abschreckenderes Beispiel für junge Bildungsreisende als Sir Henry Montague? Nach Montys Cavaliersreise wird der englische Adel seine Sprösslinge bestimmt nie wieder auf den Kontinent schicken! Irgendwie ist Monty immer in eine Tändelei verwickelt oder betrunken oder zur falschen Zeit am falschen Ort nackt (in Versailles! Am Hof des Königs!). Zwischen Paris und Marseille verlieren Monty, Percy und Felicity auch noch ihren Hofmeister, kämpfen gegen Wegelagerer und Piraten, gegeneinander (Monty und Felicity) oder gegen ihre Gefühle füreinander (Monty und Percy). Aber am Ende dieser abenteuerlichen Reise finden sie alle drei nicht nur zueinander, sondern auch zu sich selbst. [carlsen.de]

|Empfehlung| Becky Albertalli „Nur drei Worte“

|Empfehlung| Becky Albertalli „Nur drei Worte“

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„Ich bin schwul.“ Diese drei Worte hat Simon noch nie laut ausgesprochen, sondern nur geschrieben – und zwar dem ihm unbekannten Blue, dem er anonym Mails schreibt, der ebenfalls schwul ist – und der an seine Schule geht. Nur drei Worte – in diesem Buch geht es manchmal federleicht, manchmal sehr ernst darum, zu sich selbst zu stehen und auch darum, jemanden zu finden, der dich genauso liebt.

Ich würde sagen, es ging um Einsamkeit. Komisch eigentlich, ich fühle mich gar nicht einsam, aber es klang so vertraut, wie Blue den Zustand beschrieb. So als hätte er mir die Gedanken aus dem Kopf gezogen.

Wie man manchmal die Gesten eines Menschen auswendig weiß, aber nie seine Gedanken kennt. Und das Gefühl, dass Menschen wie Häuser mit riesengroßen Zimmern und winzigen Fenstern sind.

Gemeinsam mit Simon kann man den Alltag an einer Highschool in einem konservativen Bundesstaat erleben und wie es ist, zwar nicht mit seiner Sexualität zu hadern, aber mit dem Gedanken, für die anderen plötzlich nicht mehr derselbe zu sein. Am liebsten wäre es Simon nämlich, wenn man um sein Outing keinen großen Wind machen würde. Vielleicht geht es auch etwas darum, wie falsch es ist, dass unsere Sexualität einen so großen Teil unserer Identität ausmachen soll. Warum kann er nicht derselbe Simon wie immer sein, nur eben offen schwul?

Wieso ist hetero die Normalität? Jeder sollte sich einfach in die eine oder andere Richtung erklären müssen, und es sollte für jeden eine so große, peinliche Sache sein, ob du nun hetero, schwul, bi oder sonst was bist.

Dabei fand ich, auch wenn Nur drei Worte einen recht typischen Grundklang hat, der an John Green, David Levithan und Co erinnert, dass Simon doch so erfrischend normaler Teenager war und nicht wandelndes Klischee. Weder ist er ein nerdiger Einzelgänger, wenn auch ein Nerd, noch führt er persönlichen Krieg gegen irgendwelche anderen Schülergruppen an seiner Schule. Simon mag eigentlich jeden und jeder, der ihn kennt, mag Simon. Und bis auf sein ausstehendes Outing hat er auch ein recht normales Teenagerleben, in dem er gute Freunde hat, Eltern, die ihn nerven und nicht alles richtig, aber auch nicht alles falsch machen, und romantische Ideen von der ersten großen Liebe.

Aber auch die anderen Protagonisten – bis auf Nick, den ich recht flach fand – waren sympathisch und greifbar. Wie Simon selbst bekommt man erst nach und nach einen Blick dafür, wie es ihnen geht und welchen Wert sie für ihn haben, denn anfangs ist Simon sehr mit sich und Blue beschäftigt und tritt damit seinen Freunden auch ordentlich auf die Füße. Immer wieder findet sich die Erkenntnis wieder, dass man nur einen kleinen Einblick davon bekommt, was in jedem Menschen vor sich geht.

Besonders aber fiebert man mit, wie Simon herausfinden möchte, wer Blue tatsächlich ist – Schockmomente, in denen er einen Verdacht bekommt, der ihm gar nicht gefällt. Enttäuschung, wenn es doch nicht der Gedachte ist. Ungeduld, wenn Blue ihn immer vertröstet. Kleine Herzhüpfer, wenn es doch wieder Hoffnung gibt, und das große Ah am Ende und das warme Gefühl frischer Verliebtheit, als beide sich endlich kennenlernen.

„Das will ich“, sage ich. Mein Freund […] Und ich kann einfach nicht mehr aufhören zu lächeln. Es gibt so Momente, da macht es mehr Mühe, nicht zu lächeln.

Leider hatte ich das Gefühl, dass manches durch die Übersetzung verloren gegangen ist. Besonders auffällig fand ich das bei einer Diskussion, bei der Simon seine Freundin Abby „Zicke“ nennt und sich jemand anderes darüber furchtbar aufregt. Ich bin mir ziemlich sicher, im Original steht hier „Bitch“, was eine ganz andere Diskussionsgrundlage wäre.

Ich kann nicht beurteilen, ob sich nun homosexuelle Jugendliche hier richtig repräsentiert sehen, habe aber das Gefühl, dass es der Autorin doch gut gelungen ist, Simons Gefühle zu beschreiben, wenn es um die Angst geht, dass diejenigen, die man liebt, einen mit anderen Augen sehen. Auch dass Simon sich immer wieder mit blöden homophoben Sprüchen herumschlagen muss, die angeblich witzig sein sollen, oder dass er ganz allein eine Fast-Foodkette boykottiert, weil sie homophobe Gruppen unterstützen, zeigt, wie undifferenziert wir manchmal noch mit dem Thema umgehen, obwohl wir uns doch so aufgeklärt glauben. Gerade, weil diese Dinge von seinem Vater oder seinen Freunden kommen, ist es für ihn doppelt hart.

Was ich für ihn empfinde, ist wie ein Herzschlag – leise und stetig, unter allem anderen.

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320 Seiten * ISBN: 978-3-551-55609-7 * 16,99 € * OT: Simon vs. the Homo Sapiens Agenda

Was Simon über Blue weiß: Er ist witzig, sehr weise, aber auch ein bisschen schüchtern. Und ganz schön verwirrend. Was Simon nicht über Blue weiß: WER er ist. Die beiden gehen auf dieselbe Schule und schon seit Monaten tauschen sie E-Mails aus, in denen sie sich die intimsten Dinge gestehen. Simon spürt, dass er sich langsam, aber sicher in Blue verliebt, doch der ist noch nicht bereit, sich mit Simon zu treffen. Dann fällt eine der E-Mails in falsche Hände – und plötzlich steht Simons Leben Kopf.

|Neustart| Gründe, warum…

|Neustart| Gründe, warum…

 Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. – sprach Faust und fasst damit zusammen, wie mein letztes Jahr sich für mich angefühlt hat. Nie war ich so zerrissen, nie habe ich gefühlt so oft neu anfangen müssen und wollen. Oft habe ich hinterfragt, was ich möchte – und was nicht.

So ging es mir mit dem Bloggen auch. Ein Leben ohne ist für mich fast undenkbar, seit ich mich erinnern kann, habe ich immer meine Gedanken niedergeschrieben. Und trotzdem störte mich die Enge eines Buchblogs, die thematische Beschränkung. Ich hatte ja kaum Zeit zum Lesen zwischen Job und Selbstfindung – und damit auch wenig zu sagen.

Reasons Why ist ein Neuanfang und dennoch kein Neuanfang. Ich möchte das, was Umblättern einmal war, nicht löschen. Vieles von dem, was ich früher gemacht habe, möchte ich jetzt wieder aufgreifen. Ich möchte wohl aber auch neue Wege gehen – mit Büchern natürlich weiterhin, aber freier. Schreiben frei Schnauze eben zu dem, was mich so beschäftigt und was ich erlebe. Und das Leben besteht eben auch aus mehr als nur aus Buchstaben, sondern auch aus Tönen, aus bewegten Bildern, aus schlechten und guten Tagen, aus fernen Ländern und dem Glück, das ganz nah ist.

Auf ein Neues also!